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Allein die Vorstellung, sich mehrere Meter tief unter der Wasseroberfläche zu befinden, womöglich noch hyperaktive Fische und Algengewächse um sich herum, die nasse Kälte frisst sich langsam ihren Weg durch Deinen panisch zuckenden Leib, während Deine hilf- und nutzlose Lunge langsam voller Wasser läuft....

 

Ja, ungefähr derartige Gedanken kommen mir in den Sinn, wenn ich sehe, wie mein Mann - gepackt in einen pelleartigen, komischerweise meist blauen - der Tarnung wegen? - Neoprenanzug und mit einem Arsenal von Schläuchen und Instrumenten bewaffnet völlig unvermittelt auf ein Handzeichen seines Buddies (wer jetzt an Terence Hill denkt, kapiert, warum ich anfangs immer grinsen musste) hin in den Fluten verschwindet. Mit anderen Worten: Mein Mann ist begeisterter Taucher, ich selbst kriege schon Angst, wenn ich im Schwimmbad aus Versehen mit dem Kopf unter Wasser gerate.

 

Aber da war ja noch mein Mann, der sich wünschte - nie aufdringlich, aber doch entschieden genug, um das bei Frauen eh viel zu stark ausgeprägte schlechte Gewissen anzusprechen - dass ihm seine Überwasser-Begleiterin doch auch dorthin folgen würde, wo aus gutem Grund üblicherweise keine Menschen anzutreffen sind. Eine ganze Reihe mehr oder weniger dummer Zufälle brachte es nun mit sich, dass ich während unserer Flitterwochen im September 2007 in Kroatien meinem schlechten Gewissen, meinem Drang, ihm zu gefallen und seinem Dackelblick nachgab und tatsächlich versuchte zu tauchen. Gerätetauchen natürlich - wer jetzt ein anderes Bild im Kopf hatte ist albern.

 

Der erste Zufall war der, der uns überhaupt nach Kroatien brachte. Unsere Schäferhündin Arabia hatte uns erst vier Wochen vor unserer Hochzeit adoptiert und wir brachten es schlicht aber ergreifend nicht übers Herz, sie gleich bei meinen Eltern abzuliefern. Also musste unsere Hochzeitsreise eine Autoreise werden, bevorzugt in ein hundefreundliches Land. Ans Meer musste sie sowieso gehen, denn ein Urlaub ohne Meer ist für Martin kein Urlaub, und da er natürlich nicht ans Meer möchte, um es zu malen sollte die Wassertemperatur trotz bereits einsetzendem Herbstwetter noch angenehm sein.

 

Dass wir in Zadar landeten war kein Zufall. In Zadar gibt es eine Tauchbasis der Extra Divers, bei denen Martin seinen Tauchschein gemacht hat. Das Argument, eine deutsche Tauchschule mit deutschem Equipment zu haben hat mich schon manchen seiner Tauchgänge mit nur unwesentlich erhöhtem Pulsschlag überstehen lassen. Zwei Tage hatte ich ihm zugestanden, dürfe er tauchen gehen. Diese Zeit wollte ich dann nutzen, um selbst ein wenig Zeit für mich zu genießen. Denn so wie Martin im Urlaub Meer zu Glücklich sein benötigt, so braucht er ununterbrochene Action und das ist mir dann gerne mal ein ganz klein bißchen zuviel.

 

Durchaus ein Zufall war aber, warum ich überhaupt einen Fuß in diese Tauchbasis gesetzt habe. Denn während der Nachsaison geben die Öffnungszeiten auch nur eine leicht erhöhte Wahrscheinlichkeit an, tatsächlich einen Tauchlehrer in der Tauchschule vorzufinden. Und so hatte Martin bei seinem ersten Versuch Pech, woraufhin wir - Arabia und ich - ihn beim zweiten begleiteten, da wir sowieso gerade auf dem Weg zum gemeinsamen Abendessen waren. Zwar war die Basis auch diesmal unbesetzt, aber ich las, unvorsichtig wie ich war, wohl etwas zu auffällig die Werbetafel zum Schnuppertauchen. Für 36EUR in voller Montur im Meer paddeln, ohne jede Vorkenntnisse oder Ausbildung. Das Leuchten in seinen Augen, als er ganz unschuldigt fragte, ob ich daran Interesse hätte konnte ich sofort zu einem Strahlen ausbauen, als ich diese Frage schweren Herzens bejahte. Zu diesem Schnuppertauchen im Meer sollte es allerdings gar nicht kommen.

 

Es war also bereits der zweite Tag, an dem ich mich auf der Tauchbasis aufhielt, als wir auch tatsächlich jemanden erreichten. Berry, mit vollem Namen Bertislav oder so ähnlich, erklärte Martin die Tauchmöglichkeiten, während dieser natürlich nicht versäumte, sich auch nach dem Schnuppertauchen zu erkundigen. Berry lud uns also ein zum kostenfreien Pool-Schnuppertauchen im angrenzenden Hotelpool, das am Sonntag um 15:00 Uhr statt finden würde. Am Sonntag vormittag plante Martin einen Landtauchgang, so dass wir kurzerhand den Sonntag zum Tauchtag erklärten und mit Mann und Maus, Hund, in aller Frühe auf der Matte standen.

 

Eine Matte braucht man in der Tat, denn die Tauchschule war, seien wir ehrlich, total versifft. Durchaus leuchtet es auch mir ein, dass der Tauchsport eine gewisse Affinität zur generellen Feuchtigkeit erzeugt, aber dass er gleichzeitig eine Aversion gegen Schrubber und Putzlappen bedeutet erscheint mir nicht zwingend. Zumindest bei meinem Göttergatten hat sich diese Aversion auch bisher nicht bemerkbar gemacht - ja, mein Schatz putzt weder gut noch gerne, aber immerhin tut er es und verdient an dieser Stelle mal ein allgemeines und öffentlich ausgesprochenes Lob! Wie dem auch sei, schien die Ausrüstung ordentlich und sauber zu sein.

 

Trotzdem darf man nicht vergessen, dass eines der Probleme, die ich mit der Taucherei im allgemeinen habe, Schnorcheln hier eingeschlossen, mit der Vorstellung zusammen hängt, ein Plastikstück in den Mund zu nehmen, das wer weiß wer schon angesabbert und wer weiß was schon angeschleimt hat. Bäh! Nun hatte ich Martin ja versprochen, diesen Ekel zumindest für das Pooltauchen zu überwinden, also versuchte ich mir einzureden, bestimmt ein ganz neues Mundstück zu bekommen, das sich auch noch nicht allzu viel Zeit in den nun mal total versifften Räumlichkeiten der Tauchbasis oder gar im vor Salzwasser nur so überlaufenden Meer aufgehalten hatte.

 

Was es durchaus schwer machte, diese Vorstellung aufrecht zu erhalten, waren die Worte, mit denen Berry uns am Rand des Hotelpools empfing, nachdem er mir eine Taucherbrille in die Hand gedrückt hatte. "Kräftig reinspucken und verreiben!" Bitte was? Urin habe ich von meiner besten Freundin gelernt, ist - zumindest der eines prinzipiell gesunden Menschen - eine sterile und somit definitiv nicht ekelige Flüssigkeit. Spucke ist nun ganz das Gegenteil! Also sollte Sabberspucke nicht nur am Mundstück, sondern auch in der Brille sein. Wenigstens wäre es meine eigene. Diese Spuckerei ist übrigens erforderlich, damit die Brille unter Wasser nicht anläuft. Es gibt dafür auch ein eigenes Mittelchen, aber sowas dekadentes benutzen nur Amerikaner, die rein chemische immer noch solide biologischen Erzeugnissen vorziehen.

 

Das Tauchjacket ist durch die Sauerstoffflasche (Hey, das Wort braucht man tatsächlich mal!) ziemlich schwer, lässt sich aber ganz gut tragen, da es im Wesentlichen ein bequemer Rucksack mit extrabreiten Trägern und weichem Bauchgurt ist. Soweit so gut, mehr Ausrüstung braucht man nicht für seine ersten Unterwasser-Schwimmzüge. Und die Schwimmzüge sind ja nicht die Herausforderung, sondern die Atemzüge. Deshalb kommen die zuerst. Wenn nun jemand erzählt, das sei ganz einfach, dann glaubt ihm nicht. Er lügt! Zumindest verallgemeinert er in unzulässigem Maße. Meine ersten Atemzüge durch den Lungenautomaten waren nicht einfach, sie gestalteten sich sogar ausgesprochen schwierig, da sich mein Körper vehement weigerte zu versuchen, Atemluft zu erhalten, obwohl der Mund ganz eindeutig mit einem hoffentlich nicht allzu angesabberten Plastikstopsel verschlossen ist. Ob das Mundstück nach Sabber geschmeckt hat, weiß ich übrigens nicht, da ich es peinlich vermieden habe, auch nur flüchtig mit der Zunge an irgendeinen Teil der Ausrüstung dranzukommen. Nun kann bekanntlich der Geist den Körper überstimmen, und bei dem zaghaften Versuch, trotz des Mundstücks zu atmen kam tatsächlich Luft. Ich hatte das eigentlich nicht erwartet und war entsprechend verdutzt, so dass ich nach einem halben Atemzug erstmal den Regler aus dem Mund nehmen und nach Luft schnappen musste.

 

Und während sich nun also Geist und Körper langsam mit dem Gedanken bzw. dem Gefühl vertraut machten, dass das Atmen durch den Lungenautomaten tatsächlich völlig unkompliziert funktioniert, schob mich Berry durch den Pool. Tatsächlich unerwartet war für mich, dass es eigentlich keinerlei Konzentration auf den Atemvorgang bedarf, der, wenn auch nun ausschließlich durch den Mund, völlig normal abläuft. Trotzdem konzentrierte ich mich mit jeder Faser meines Seins auf den Atemvorgang, nur um ganz sicher zu gehen.

 

Dieses Erfolgserlebnis, meinen Ekel und meine Bedenken überwunden zu haben, ließen mich ganz offensichtlich in einen Rauschzustand verfallen - Tiefenkoller konnte es bei einer maximalen Tauchtiefe von einer Armlänge ja kaum sein. Welches Geschenk wäre für Martin, der die ganze Zeit am Beckenrand gesessen und ehrlich beeindruckt meine ungelenken und sicherlich unbeholfen, im besten Fall also putzig anmutenden Paddelversuche beobachtet hatte, wohl schöner gewesen, als dass ich einen Tauchkurs machte? Immerhin gibt es einen Zweitageskurs, der gar nicht so teuer ist und da Martin ja eh noch Tauchgänge machen wollte würden wir sowieso auf der Tauchbasis sein. Es kam, wie es kommen musste. Und was sich niemand, allen voran ich selbst und Martin miteingeschlossen, niemand hätte vorstellen können, passierte. Ich machte einen Zweitagestauchkurs.

 

Der Theorieteil bestand aus drei Videosequenzen von jeweils etwa 45min Dauer und anschließenden Multiple Choice Fragen. Insgesamt ein ziemlich einsamer und langweiliger Montag vormittag also. Doch während ich zu diesem Zeitpunkt noch bedauerte, einen Privatlehrgang zu erhalten, war ich am Nachmittag bei den Schwimmbadtauchgängen schon sehr froh darum. Immerhin hatte ich so niemanden, hinter dem ich mich hätte verstecken können.

 

Aber bevor es ins Wasser geht kommt der Ausrüstungsteil. Auf die Frage nach meiner Konfektionsgröße war ich bedacht ehrlich, da ich lieber als fette Kuh gelten als in einem unbequemen zu engen Anzug herumrennen wollte. Geholfen hats mir nicht wirklich, denn meine nun mal leicht überdurchschnittliche Oberkörperlänge führte zuerst dazu, dass ich ohne Hilfe von Martin UND Berry gar nicht in den Anzug hineinkam und er dann im Schritt ziemlich zwickte. Man ist's ja gewöhnt als alter Reiter und zum Glück als Frau verschont von exponierten Weichteilen, die gerade in solchen Situationen dazu neigen, ungeschickt im Weg herumzuhängen.

 

Komplettiert wird der Anzug mit Füßlingen - die mir wie zum Ausgleich ein gutes Stück zu groß waren - Bleigurt und Tauchjacket, das vorher mit Sauerstoffflasche (schon wieder!) und Lungenautomat zusammengebaut werden muss. Das mit der Taucherbrille kannte ich ja schon, so dass ich durch hochprofessionelles und völlig unzögerliches Antibeschlagsspucken punkten konnte. Die Flossen werden im Wasser angezogen, was die größte motorische Gleichgewichtsleistung an der ganzen Taucherei ist. Ohne Atemregler und somit Unterwasserfähigkeit hätte ich die Flossen nie an die Füße bekommen, mit aber können sie ja in stabiler halbliegender Rückenlage angezogen werden. Wie zur Rettung meiner Ehre sind leider alle Fotos dieser Heldentat einer autoaggressiven Phase Martins Speicherkarte zum Opfer gefallen.

 

Die Übungen fielen mir an und für sich gar nicht schwer, da ich den Teil mit der Selbstüberwindung für den Pool zumindest hinter mir hatte und mich nun sehr sicher fühlte. Außerdem lässt es sich im Schwimmbad ja jederzeit auftauchen, was das Gefühl ist, das mich locker bleiben ließ. Einzig bei dem Versuch, mit Berrys Oktopuss zu atmen habe ich ordentlich Wasser geschluckt, denn während mein Atmenregler auf "verströme Luft, wann immer auch nur sein könnte, dass jemand daran denkt, vielleicht einatmen zu wollen" gestellt war, befand sich der seines Oktopusses im "wenn harte Männer schnaufen, sollen sie nicht ersticken" - Modus war. Ich bekam also keine Luft, versuchte tiefer einzuatmen, was nicht gelang, bekam Wasser in den Mund und musste lachend an die Oberfläche auftauchen. Husten unter Wasser bringt übrigens gar nichts.

 

An dem Abend ging es mir so richtig gut. Mein Schatz war glücklich und stolz, ich war glücklich und stolz und so soll es ja auch sein auf der Hochzeitsreise, oder nicht? Ich hatte meinen inneren Schweinehund überwunden, was einen bekanntlich immer in Hochstimmung versetzt.

 

Diese Hochstimmung dauerte exakt bis zum nächsten Tag, als Berry mich auffordertem, mich umzuziehen und für den Freiwassertauchgang vorzubereiten. Mit einem Schlag war die ganze Unsicherheit und Angst wieder da und ich fühlte mich, als stünde ich kurz vor meiner ersten Herzkatheter-OP. Dabei macht es für den Unwohlseinfaktor wohl keinen großen Unterschied, ob man sich in der Rolle des Patienten oder des Arztes befindet. Nur hat der Patient den Vorteil, dass er den spanndendsten Teil verschlafen kann und aktiv nichts zu tun hat und der Arzt hat den Vorteil, dass ja der andere stirbt, wenn was schief läuft. Beides traf auf mich nicht zu, so dass ich in Ermangelung von Vorteilen ausschließlich die Nachteile des geplanten Vorhabens sehen konnte. Das Wasser war nass. Es war kalt und es war tief, zumindest für Landrattenverhältnisse. Außerdem war der Anzug seit dem Vortag nicht länger geworden, sondern vielmehr durch eine Eisweste - eine Art Neoprenbody zum Überziehen - ergänzt worden, was das Ziehen im Schritt um einem Druck auf die Blase erweiterte. Außerdem würde sich Arabia sehr freuen, wenn ich, anstatt sie an der Tauchbasis festzubinden und zurück zu lassen, meine Streichelfertigkeiten weiter perfektionieren würde. Andererseits wäre Martin sehr enttäuscht und ich müsste mir eingestehen, mir zuviel zugetraut zu haben. Und wer ein ehrgeiziger, erfolgsverwöhnter und anerkennungssüchtiger Mensch ist wie ich, dem reicht das als Argument, statt eines Rückziehers eben doch gute Miene zum üblen Spiel zu machen. "Ich habe bisher alle runtergebracht." Und wieder rauf?

 

Mit fürchterlichem Herzklopfen stieg ich also in das fürchterlich kalte Wasser, zog die fürchterlich unhandlichen Flossen an, wobei ich zum ersten Mal mit dem Kopf in das fürchterlich salzige Meer hineintauchte und die fürchterlich trockene Pressluft atmete. Immerhin funktionierte das immer noch, beruhigende Vorstellung. Als ich an der Abstiegstelle das Abtauchen-OK - Signal machte, spielte ich direkt mit dem Gedanken, einfach weiter an der Oberfläche zu paddeln. Vielleicht würde das ja nicht auffallen. Es fiel natürlich doch auf und durch Ablassen von Luft aus dem Jacket tauchte ich ab.

 

Langer Rede, kurzer Sinn, ich habe den Freiwassertauchgang tatwsächlich beendet und alle Übungen geschafft, auch wenn ich einmal eine kurze Panikattacke überwinden musste. Spaß hatte ich allerdings keinen unter Wasser, dazu war ich viel zu sehr damit beschäftigt, jeden Atemzug aufs genaueste zu überprüfen, ununterbrochen die aktuelle Tauchtiefe durch kurze Blicke nach oben abzuschätzen, und nicht zuletzt Berry starr zu fixieren, um nur ja nicht an das Getier denken zu müssen, das um uns herum seinem ganz normalen Alltag nachging. Ich glaube, es bedarf noch einigen Tauchgängen mehr, bis ich es vielleicht schaffe, auch ohne die Möglichkeit des sofortigen Auftauchens locker zu werden, mich sicher zu fühlen um eventuell sogar einen Sinn für die unzweifelhaft traumhaft schöne Unterwasserwelt entwickeln zu können.

 

Aber jetzt bin ich erstmal PADI Scuba Diver und wenn wir nächstes Jahr wieder nach Kroatien kommen mache ich vielleicht den Open Water Diver. Dann könnte ich Martin begleiten, wenn es ihn wieder hinunter zieht zu den Tintenfischen und Seegurken unserer Weltmeere.